Compliance Maßnahmen, wozu auch Hinweisgebersysteme gehören, gewinnen bei der Aufdeckung von Missständen immer mehr an Relevanz. Aktuelles Beispiel: Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 14.02.2024 entschieden, dass anonyme Meldungen über ein externes Hinweisgebersystem als Verdachtsgrundlage für richterliche Durchsuchungsbeschlüsse dienen können.

Zu den Hintergründen

Es handelt sich um folgende Entscheidung: LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14. Februar 2024 – 18 Qs 49/23, 18 Qs 50/23 und 18 Qs 51/23.

Grundlage der Entscheidung war ein anonymer Hinweis über die Meldestelle der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG). Diese Meldestelle ist nichts anderes als ein anonymes Hinweisgebersystem, welches der Freistaat Bayern selbst betreibt.

Was ist passiert?

Die hinweisgebende Person* machte detaillierte Angaben zu betrügerischen Handlungen einer namentlich benannten Apothekerin. Die Beschuldigte habe in zwei Apotheken durch Barauszahlung von Rezepten bei gesetzlich Versicherten Krankenkassen betrogen bzw. bei privat Versicherten deren Betrug ermöglicht. Überdies wurde mitgeteilt, die Apothekerin verkaufe verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept. Die anonyme Meldung enthielt konkrete Informationen wie Namen, Daten und Uhrzeiten zu einzelnen Vorfällen. Auf Nachfrage über das anonyme Meldeportal der ZKG wurden weitere relevante Informationen und Beweise, wie Bildschirmabzüge aus dem Warenwirtschaftssystem der Apotheke, gesammelt.

Wie ging es weiter?

Daraufhin erließ das Amtsgericht Nürnberg Durchsuchungsbeschlüsse für die Geschäftsräume und Wohnung der beschuldigten Apothekerin wegen Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug und Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug. Hiergegen legte die Apothekerin Beschwerde ein. Das LG Nürnberg-Fürth bestätigte, dass Durchsuchungsbeschlüsse auf Grundlage einer anonymen Meldung angeordnet werden können. Allerdings bedarf es für die Zulässigkeit der Durchsuchung Verdachtsgründe, die über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinausreichen. Die Meldung muss eine beträchtliche sachliche Qualität vorweisen oder die hinweisgebende Person muss im Rahmen der Meldung schlüssiges Tatsachenmaterial vorlegen. Ein effektives Hinweisgebersystem und die sorgfältige Bearbeitung der Meldung ist daher entscheidungserheblich.

Das sagt das Gericht

Nach Einschätzung des Gerichts, müssen die Eingriffsvoraussetzungen nach § 102 StPO besonders gewissenhaft geprüft werden. Aufgrund der erhöhten Gefahr einer falschen Verdächtigung, müssen die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten sorgfältig mit der im Raum stehenden Straftat abgewogen werden. Bei der Verhältnismäßigkeitsabwägung sind insbesondere der Gehalt der anonymen Anzeige und etwaige Gründe für die Nichtoffenlegung der Identität der Auskunftsperson maßgeblich. Im entscheidungsrelevanten Fall wurde der Hinweis mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Angestellten der Apotheke abgegeben. Bei etwaigem Bekanntwerden ihrer Identität hätte sie Repressalien fürchten müssen. Die Qualität und Quantität der Meldungen, die über die externe Meldestellte eingingen, waren von beträchtlicher sachlicher Qualität und gingen weit über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinaus. Eine anonyme Anzeige, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist grundsätzlich nicht ausreichend, um einen Anfangsverdacht zu begründen.

Unser Fazit zum Urteil

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig ein effektives Hinweisgebersystem ist. Können Mitarbeiter auf eigene interne Meldestellen zurückgreifen, besteht für Unternehmen die Möglichkeit, schnell auf diese Hinweise zu reagieren und Missstände intern aufzuklären.

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Autor dieses Artikels: RA Dr. Maximilian Degenhart, Geschäftsführer der Compliance Beratung + Service Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

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* Zur besseren Lesbarkeit verzichten wir auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.