Ein Leitfaden für rechtssichere Internal Investigations

Unternehmen müssen Regelverstöße nicht nur verhindern, sondern bei konkreten Hinweisen aktiv aufklären. Das Stichwort „Interne Untersuchung“ ist bekannt. Aber die wenigsten Unternehmen haben einen konkreten Ablaufplan für ein derartiges Ereignis. Oft entstehen aus einer solchen (anfänglichen) Unklarheit heraus vermeidbare Fehler, die jedoch folgenreich sein können. Compliance Rechtsanwälte führt regelmäßig interne Untersuchungen durch und übernimmt für Mandanten die Verantwortung, dass alles korrekt und diskret abläuft. Was wir selbst beachten und wie Unternehmen vorgehen sollten, lesen Sie im folgenden Beitrag.

I. Warum interne Untersuchungen heute unverzichtbar sind

Für Unternehmen gilt eine dreistufige Pflicht: Aufklären – Abstellen – Ahnden. Diese sogenannte „Pflichtentrias“ folgt aus §§ 91, 93 AktG sowie § 43 GmbHG und begründet für die Unternehmensleitung eine unverzichtbare Aufklärungspflicht. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, drohen nicht nur zivilrechtliche Haftungsrisiken, sondern auch Bußgelder nach § 130 OWiG oder sogar strafrechtliche Konsequenzen (§ 13 StGB).

II. Ab wann besteht eine Pflicht zur Untersuchung?

Die Schwelle für eine interne Untersuchung liegt nicht bei bloßen Vermutungen, sondern bei konkreten Anhaltspunkten für betriebsbezogene Rechtsverstöße. Diese können sich auf gesetzliche Normen oder interne Vorgaben beziehen. Vor jeder umfassenden Untersuchung sollte eine Plausibilitätsprüfung durch die Compliance- oder Rechtsabteilung erfolgen.

III. Arbeitsrechtliche Fristen: Die Zwei-Wochen-Regel bei Verdachtskündigungen

Für eine außerordentliche Kündigung aufgrund eines Compliance-Verstoßes gilt gemäß § 626 Abs. 2 BGB: Der Arbeitgeber muss innerhalb von zwei Wochen nach positiver Kenntnis des Kündigungsgrunds handeln.

Achtung: Die Frist beginnt erst nach Abschluss einer ordnungsgemäßen internen Untersuchung, nicht mit dem bloßen Anfangsverdacht. Unternehmen sollten dies bei der Planung von Interviews und Datenanalysen strikt berücksichtigen, um spätere Unwirksamkeit zu vermeiden..

IV. Mitarbeiterinterviews: Rechte, Pflichten, Grenzen

1. Befragung als zulässiges Mittel

Interviews mit Mitarbeitenden sind auf Basis des Direktionsrechts (§ 106 GewO) zulässig. Der Arbeitgeber darf sachlich, fair und mit angemessenen Mitteln befragen.

2. Aussagepflicht und Selbstbelastung

Mitarbeitende müssen wahrheitsgemäß Auskunft geben, soweit kein Selbstbelastungsrisiko besteht. Im Falle strafrechtlicher Relevanz kann ein Aussageverweigerungsrecht bestehen – analog zu §§ 52, 55 StPO. Das gilt spätestens dann, wenn dem Mitarbeitenden durch seine Aussagen strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Empfehlung: Unternehmen sollten keine Aussage erzwingen und im Zweifel auf die Möglichkeit eines anwaltlichen Beistands hinweisen.

3. Dokumentation und Ablauf

  • Gespräche immer mit zwei Gesprächsführern dokumentieren
  • Fragenkatalog vorab erstellen
  • Interviews rechtzeitig zur Einhaltung von Fristen führen
  • Keine informelle Befragung ohne Protokoll

V. Datenschutz und Datenzugriff: Was ist erlaubt?

Ein Kernpunkt jeder Untersuchung ist der Zugriff auf personenbezogene Daten – etwa E-Mails, Kalender oder Chatverläufe. Voraussetzung:

  • Konkret dokumentierter Verdacht
  • Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
  • Zulässige Rechtsgrundlage: § 26 BDSG oder Betriebsvereinbarung

Risiko: Unzulässige Datenerhebungen führen zu Beweisverwertungsverboten vor Gericht.

VI. Hinweisgeberschutz und Vertraulichkeit

Mit dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) entstehen strikte Anforderungen an die Vertraulichkeit der Identität von Whistleblowern. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis 1 Mio. €. Unternehmen dürfen Informationen zur Identität nur mit Einwilligung in Textform weitergeben.

Tipp: Fragen in Interviews so formulieren, dass keine Rückschlüsse auf Hinweisgeber möglich sind.

VII. Beteiligung des Betriebsrats: Mitbestimmungspflicht beachten

Die Mitbestimmungspflichten nach dem BetrVG gelten z. B. bei:

  • Datenzugriffen mit technischer Überwachung (§ 87 Abs. 1 Nr. 6)
  • Einsatz von Fragebögen (§ 94 Abs. 1)
  • Kontrolle von E-Mails oder privaten Dokumenten

Verstoß = Risiko: Der Betriebsrat kann Auskunft, Unterlassung und sogar Löschung fordern. Unternehmen sollten frühzeitig informieren und idealerweise Betriebsvereinbarungen zu internen Untersuchungen abschließen.

VIII. Kosten der Ermittlungen: Wer zahlt?

Arbeitnehmer können bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen zur Erstattung der Kosten verpflichtet werden – etwa für externe Anwälte oder forensische Dienste. Voraussetzung:

  • Konkreter, dokumentierter Verdacht
  • Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
  • Pflichtverletzung vor Kündigung nachgewiesen

Das LAG Baden-Württemberg erkennt diese Erstattungsfähigkeit unter engen Voraussetzungen an.

IX. Rechtliche Risiken – und wie man sie vermeidet

1. Bei fehlerhafter oder unterlassener Untersuchung

  • Bußgelder nach § 130 OWiG
  • Organhaftung nach § 93 AktG
  • Verlust der Gewerbeerlaubnis
  • Ausschluss von öffentlichen Vergaben

2. Bei überzogener Maßnahme

  • Beweisverwertungsverbot
  • Persönlichkeitsrechtsverletzungen
  • Bußgelder nach DSGVO oder HinSchG

Tipp: Unternehmen sollten stets nachweisen können, dass die Maßnahme sachlich notwendig, rechtlich zulässig und verhältnismäßig war.

X. Fazit: Compliance braucht klare Struktur – und arbeitsrechtliches Feingefühl

Interne Untersuchungen sind Pflicht und Chance zugleich. Sie müssen präzise geplant, rechtlich abgesichert und taktisch klug umgesetzt werden. Aber: Es gibt viele Fehlerquellen. Wenn Sie im Falle eines Verdachtsmoments noch keine Erfahrung haben, suchen Sie sich einen Berater, der Sie an der Hand nimmt und durch die Vorgaben führt. Es wird sich am Ende lohnen.

Angebot: Kostenfreies Gespräch mit unserem Experten

Sie möchten interne Untersuchungen rechtssicher durchführen oder bestehende Prozesse optimieren? Wir beraten Sie zu arbeitsrechtlichen Fristen, Datenschutz, Hinweisgeberschutz und Betriebsratsbeteiligung.

Kontakt

Sprechen Sie mit unseren Experten – unverbindlich und kostenlos.

E-Mail: info@compliancerechtsanwaelte.de
Telefon: 089 2152 7445

Unsere Experten

Autor dieses Artikels: RA Dr. Maximilian Degenhart, Geschäftsführer der Compliance Beratung + Service Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Compliance Rechtsanwälte ist eine Spezialkanzlei für Compliance, die in den Kernbereichen Compliance-Organisation, KI-Compliance, Datenschutz, ESG, Geldwäsche, IT-Recht, Strafrecht, Hinweisgebersystemen, Lieferketten und Schulungen tätig ist. Das Team von Compliance Rechtsanwälte berät eine breite Vielfalt an Mandanten. Dazu gehören aufstrebende mittelständische Unternehmen genauso wie die öffentliche Hand und Konzerne. Compliance Rechtsanwälte ist eine der führenden Adressen für Compliance in Deutschland.