Zusammenfassung
Ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung im Bereich Compliance: Es geht um die Möglichkeit und gegebenenfalls Pflicht von Unternehmen, Schadensersatz von Geschäftsleitern* für Bußgelder zu fordern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage am 11. Februar 2025 verhandelt und nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Eine Entscheidung des BGH wird voraussichtlich erst 2026 fallen.
Hintergrund des Falls
Das Bundeskartellamt verhängte ein Bußgeld von 4,1 Mio. € gegen eine GmbH wegen Kartellverstößen. Die GmbH verlangt von ihrem ehemaligen Geschäftsführer den Ersatz dieser Summe. Eine AG fordert zudem Schadensersatz für Anwalts- und Ermittlungskosten. Die Vorinstanzen lehnten die Klage ab, weil der Zweck der Kartellbuße beeinträchtigt würde. Der BGH prüft nun, ob deutsches Recht den Regress zulässt oder das Unionsrecht dies verhindert.
Zusätzlich bezieht sich der BGH auf die EuGH-Rechtsprechung zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bußgeldern. Eine Rückforderung könnte die abschreckende Wirkung von Kartellgeldbußen mindern, was unionsrechtlich problematisch wäre. Der Kartellsenat deutete an, dass eine teleologische Reduktion der Organhaftung nur durch unionsrechtliche Vorgaben erforderlich sein könnte.
BGH-Entscheidung und EuGH-Vorlage
Der BGH sieht wohl eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers. Das Gericht deutete an, dass entstandene Schäden grundsätzlich ersatzfähig sind. Allerdings könnte eine Regressmöglichkeit den Abschreckungseffekt für Unternehmen von Kartellbußgeldern schwächen. Der EuGH muss nun klären, ob Unternehmen ihre Bußen von Führungskräften zurückfordern können. Der BGH verweist auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach selbst eine steuerliche Absetzbarkeit den Effekt der Geldbuße mindern könnte.
In der mündlichen Verhandlung deutete der Kartellsenat an, dass eine nationale Betrachtung keine hinreichende Grundlage für eine Einschränkung des Regresses bietet. Das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip könnte aber eine Begrenzung erforderlich machen. Der EuGH wird nun bewerten, ob eine vollständige oder teilweise Rückforderung der Bußgelder mit dem Effektivitätsprinzip vereinbar ist.
Mögliche Folgen für Unternehmen
Falls der EuGH den Regress untersagt, haften Unternehmen endgültig für Kartellverstöße. Eine uneinheitliche Regelung könnte entstehen, wenn der Regress nur für nationale Verstöße zulässig bleibt. Vorstände, Geschäftsführungen, Eigentümer, Aufsichtsräte und Versicherungen müssen die EuGH-Entscheidung abwarten, um ihre Haftungsstrategien anzupassen.
Eine Besonderheit ist, dass in Kartellverfahren regelmäßig Art. 101 AEUV neben den deutschen Regelungen (§§ 1 ff. GWB) herangezogen wird. Daher könnte ein Verbot des Regresses in fast allen relevanten Fällen greifen. Unternehmen sollten ihre rechtlichen Möglichkeiten genau prüfen und sich auf mögliche neue Haftungsrisiken vorbereiten.
Prognose
Die EuGH-Entscheidung wird die Unternehmenshaftung erheblich beeinflussen. Unternehmen sollten mögliche Ansprüche gegen Geschäftsleiter sichern und Verjährungen verhindern. Eine klare Regelung wird frühestens 2026 erwartet.
Zusammenfassung in Stichpunkten
- BGH prüft Regressfähigkeit von Kartellbußgeldern
- Unternehmen klagen gegen Geschäftsführer wegen Schadensersatz
- Vorinstanzen lehnen Regress ab, um Abschreckung zu sichern
- EuGH muss entscheiden, ob Unionsrecht den Regress verbietet
- Nationale Fälle könnten anders bewertet werden als EU-bezogene Fälle
- Entscheidung frühestens 2026, Verjährung von Ansprüchen vermeiden
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Autor dieses Artikels: RA Dr. Maximilian Degenhart, Geschäftsführer der Compliance Beratung + Service Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

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